Die Jugend zieht es aufs Meer hinaus

Der Berliner Segler-Verband zeichnete die schönsten Segelreisen 2016 aus.
Gleich sechs Nachwuchs-Crews reichten ihre Bewerbungen ein

Bericht über den Fahrtenseglerabend 2017 mit der Ehrungen der Fahrtenwettbewerbe 2016 von Oliver Klempert

Die Jugend zieht es aufs Meer hinaus 

Der Berliner Segler-Verband zeichnete die schönsten Segelreisen 2016 aus.
Fazit: Der Nachwuchs ist wieder aktiver

Viktor Zouboulis ist erst 17 Jahre alt – und schon Skipper. Auf der Segelyacht „Sonny“, einer Bavaria 46, trägt er im vergangenen Sommer die große Verantwortung. Zwei Wochen lang geht es von Flensburg nach Anholt in Dänemark direkt über die Ostsee und wieder zurück. Seine Crew besteht aus den drei 14-Jährigen Maike, Tamy und Gloria, den drei 15-Jährigen Leo, Mark und Nikolas sowie die beiden 16-Jährigen Niklas und Lia, kurzum: aus einer befreundeten Jugendgruppe. Sicher: An Bord ist auch noch ein Erwachsener, doch Viktor ist der offizielle Schiffsführer: „Ich habe damals zum Beispiel die Entscheidungen getroffen, welche Manöver gefahren werden sollen“, sagt er. Im Winter vor eineinhalb Jahren hatten sich die Jugendlichen des Berliner Yacht-Clubs auf ihren gemeinsamen Törn vorbereitet, verteilten verschiedene Rollen an Bord. So waren etwa  Lia und Tamy für Einkauf und Verpflegung zuständig, Staumeister waren Gloria und Maike, um die Sicherheit an Bord kümmerte sich Mark. Mitte Juli ging es dann an die Ostseeküste und es wurde losgesegelt. „Vor allem weil wir vorher festgelegt hatten, wer was zu tun hatte und wir klare Regeln fürs Miteinander definierten, wurde unsere Reise ein Erfolg“, so Zouboulis. 

In der Fachsprache nennt man dies gelungene Seemannschaft: Jeder weiß, wofür er an Bord zuständig ist, alle gemeinsam arbeiten am Ziel einer gelungenen Seereise. Nirgendwo besser als auf einem Schiff lernt man schließlich vorausschauend und verlässlich zu handeln. Dafür wurde Viktor Zouboulis nun beim Fahrtenseglerabend des Berliner Segler-Verbandes mit einem Preis der „Wannseeaten“-Stiftung beim Verein Seglerhaus am Wannsees geehrt. 

Gemeinsam mit einem Teil seiner jungen Crew nimmt Zouboulis am Freitag vergangener Woche den Preis entgegen. Der große Saal des Klubhauses des Vereins Seglerhaus am Wannsee ist brechend voll. Alles, was in der Berliner Seglerszene Rang und Namen hat, ist zugegen. Es ist der Abend, an dem die Berliner Fahrtenseglergemeinde aus allen sechs Wettfahrtbezirken die vergangene Saison Revue passieren lässt – ein Höhepunkt auf dem Seglerkalender. Jedes Jahr, wenige Wochen vor dem Start in die neue Saison, trifft sich die Gemeinschaft, um auch an Land zu zeigen: Dieser Sport macht nur in großer Verbundenheit Freude. Es ist die Zeit, in der sich Segler des Umstands versichern, dass ihr Sport auch heute noch – in Zeiten von Satelliten-Navigation – eines ist: ein Wagnis und ein Abenteuer. Dies gilt für gestandene Segler und für den Nachwuchs wie Viktor Zouboulis erst recht. 

So werden bei der Veranstaltung im Rahmen der Fahrtenwettbewerbe 2016 in den Bereichen Hochsee, See, Küste, Jugendreisen, Binnen sowie Binnen/Küste, Breitensport und Familienreisen die besten Törns ausgezeichnet. Gleich sechs Jugendcrews haben in diesem Jahr ihre Bewerbungen eingereicht, eine Entwicklung die Clemens Fackeldey, Fahrtenobmann des Berliner Segler-Verbandes, sehr freut: „Dies zeigt, dass das Fahrtensegeln für Familien und Jugendliche immer beliebter wird und eben nicht nur etwas für die ältere Generation ist“, sagt er. 

Doch der Jugendtörn des Berliner Yacht-Clubs war nicht der Einzige, der ausgezeichnet wurde. So segelte der 22-jährige Maurice Mohr von der Touren-Segler-Vereinigung gemeinsam mit Janna Kruhl  vom Berliner Yacht-Club sowie Philip Jankovic, Paul Merten, Cornelius Roll und Simon Bahr auf der Segelyacht „FiFikus“, einer Dehler Sprinta 70, in elf Seetagen von Berlin aus Rund Rügen und zurück nach Berlin. Insgesamt legten die sechs Twens 319 Seemeilen zurück. Prämiert wurde die Reise in der Kategorie „Küste“ mit der „Gold“-Auszeichnung, der höchsten Ehrung des Berliner Segler-Verbandes in dieser Kategorie, vor allem deshalb, weil Schiffsüberführungen von Berlin aus an die Küste immer eine Herausforderung sind und die Crew noch dazu viel gesegelt ist, wie Fackeldey sagt. 

Dies alles zeigt: Segeln ist bei der Jugend wieder im Kommen und zwar anders, als man gemeinhin annimmt. Denn wer an Segeln denkt, der denkt oft zunächst an Leistungssport – und an den damit verbundenen Dauerstress. An Hochleistungs-Regatten, die um die Welt führen, wie das „Volvo Ocean Race“ oder an den „America’s Cup“. Doch Segeln hat eben auch andere abenteuerliche Seiten, die keineswegs langweilig sein müssen. Jugendliche auf einem Fahrtensegelboot, das kann durchaus „cool“ sein. „Mir liegt daher viel daran, das Fahrtensegeln zu fördern, besonders bei Jugendlichen. Es darf nicht in Konkurrenz zum Regattasegeln stehen, sondern muss als weitere Säule des Segeln angesehen werden“, sagt Fackeldey. 

Davon abgesehen, sind es auch in diesem Jahr wieder große Zahlen, mit denen die Berliner Segler durch ihre Reisen beeindrucken: Knapp 50.000 Seemeilen legten Berlins Fahrtensegler im vergangenen Jahr zurück. Der älteste Teilnehmer hatte die neunzig Jahre schon überschritten, der jüngste musste noch gewickelt werden. Insgesamt 62 Bewerbungen wurden für den Fahrtenwettbewerb eingereicht, das macht einen Anstieg von 40 Prozent – und zeigt, wie beliebt Segeln insgesamt ist. 

Gleichwohl: Womit Segler, ob nun auf Binnengewässern oder auf See unterwegs, immer wieder zu kämpfen haben, ist dabei das Wetter. Dieses war im vergangenen Jahr launisch und wechselhaft. Zur Erinnerung: Anfang 2016 wollte der Sommer zunächst nicht so recht in Gang kommen, dann war er endlich da, sofort gingen die Temperaturen extrem hoch und es wehte wenig Wind oder es herrschte Flaute, dann wieder war es kalt mit zahlreichen Sturmtagen. Doch davon ließen sich die Segler nicht abschrecken: So gab es im vergangenen Jahr neben den Jugendreisen interessante sportliche Reisen, die nach Norden bis zu den Lofoten führten, nach Westen bis Schottland reichten sowie Richtung Süden bis nach Teneriffa. „Jeder Segler träumt davon, einmal eine solche Reise zu unternehmen – schließlich kann man auf einem solchen Törn innerhalb weniger Wochen alle Facetten des Segelsports erleben“, sagt Fackeldey. Und vor allem für Segler gelte schließlich: „Es gibt kein schlechtes Wetter, nur unpassende Kleidung.“ 

Das wissen vor allem auch Familien. Und so sieht die Entwicklung bei den Familientörns ebenfalls erfreulich aus. Gleich sieben solcher Reisen wurden für den diesjährigen Wettbewerb eingereicht. Hier gewinnt schließlich ein Törn, der an der Ostküste Schwedens entlangführt, bei dem Stockholm und diverse Schären angelaufen werden. Die Gewinnerfamilie – die Eltern Bernhard und Caroline Krüger mit ihren Kindern Magdalene, Michel und Theodor – nutzt ihre Elternzeit für eine große Ostseerundreise auf ihrer Segelyacht „Wirbelwind“, einer Comfortina 38, und segelt in 62 Tagen 1742 Seemeilen sieben Länder ab. Dabei werden viele Hauptstädte besucht. Inspiriert wird der Törn durch die Bücher von Astrid Lindgren. Noch schöner geht es eigentlich kaum.

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